• Vom Eise befreit  sind Strom und Bäche 

     

    Vor dem Tor

    Vom Eise befreit sind Strom und Bäche
    Durch des Frühlings holden, belebenden Blick,
    Im Tale grünet Hoffnungsglück;
    Der alte Winter, in seiner Schwäche,
    Zog sich in rauhe Berge zurück.
    Von dort her sendet er, fliehend, nur
    Ohnmächtige Schauer körnigen Eises
    In Streifen über die grünende Flur.
    Aber die Sonne duldet kein Weißes,
    Überall regt sich Bildung und Streben,
    Alles will sie mit Farben beleben;
    Doch an Blumen fehlts im Revier,
    Sie nimmt geputzte Menschen dafür.

    Kehre dich um, von diesen Höhen
    Nach der Stadt zurück zu sehen!
    Aus dem hohlen finstern Tor
    Dringt ein buntes Gewimmel hervor.
    Jeder sonnt sich heute so gern.
    Sie feiern die Auferstehung des Herrn,
    Denn sie sind selber auferstanden:
    Aus niedriger Häuser dumpfen Gemächern,
    Aus Handwerks- und Gewerbesbanden,
    Aus dem Druck von Giebeln und Dächern,
    Aus der Straßen quetschender Enge,
    Aus der Kirchen ehrwürdiger Nacht
    Sind sie alle ans Licht gebracht.

    Sieh nur, sieh! wie behend sich die Menge
    Durch die Gärten und Felder zerschlägt,
    Wie der Fluß in Breit und Länge
    So manchen lustigen Nachen bewegt,
    Und, bis zum Sinken überladen,
    Entfernt sich dieser letzte Kahn.
    Selbst von des Berges fernen Pfaden
    Blinken uns farbige Kleider an.
    Ich höre schon des Dorfs Getümmel,
    Hier ist des Volkes wahrer Himmel,
    Zufrieden jauchzet groß und klein:
    Hier bin ich Mensch, hier darf ichs sein!

     

    (Johann Wolfgang von Goethe, Faust I)

     


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    FerienlektüreEine überaus belesene Freundin machte mich kürzlich auf Mechtild Borrmann aufmerksam, deren Kriminalromane in Kleve und sogar Kranenburg spielen. Trotzdem sind es keine Regionalromane und auch sehr viel mehr als Kriminalromane. Ich habe mir also zuerst das Buch geholt, das in Kranenburg spielt, sogar Nütterden wird erwähnt. Die Autorin kennt sich da aus, sie ist in Kleve aufgewachsen. Wahrscheinlich hat sie zwei Jahre nach mir an der gleichen Schule Abitur gemacht, ich muss das mal recherchieren.

    Also, das Buch heißt "Wer das Schweigen bricht", und ich habe damit begonnen wegen Kranenburg, wegen des Themas und weil es den deutschen Krimipreis bekommen hat. Danach habe ich noch "Mitten in der Stadt" gelesen und habe mir gestern das nächste Buch in meiner Kranenburger Buchhandlung geholt: "Morgen ist der Tag nach gestern".

    Im November kommt Mechtild Borrmann nach Goch zu einer Lesung, da würde ich sie gern kennenlernen. Über ihre Arbeit hat sie sich ausführlich in einem Interview geäußert.

    "Rompre le silence" habe ich jetzt einem französischen Freund geschenkt, der heute Geburtstag hat und der oft bei mir in Kranenburg war. Manchmal liebe ich Amazon.


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  • Erdogans Reich

     

     

     

     

     

     

     

     

     

     

     

     

     

     

     

     

     Andrer Bürger:

    Nichts Bessers weiß ich mir an Sonn- und Feiertagen
    Als ein Gespräch von Krieg und Kriegsgeschrei,
    Wenn hinten, weit, in der Türkei,
    Die Völker aufeinander schlagen.
    Man steht am Fenster, trinkt sein Gläschen aus
    Und sieht den Fluß hinab die bunten Schiffe gleiten;
    Dann kehrt man abends froh nach Haus,
    Und segnet Fried und Friedenszeiten.

    Dritter Bürger:

    Herr Nachbar, ja! so laß ich's auch geschehn:
    Sie mögen sich die Köpfe spalten,
    Mag alles durcheinander gehn;
    Doch nur zu Hause bleib's beim alten.

    Goethe, Faust I, Osterspaziergang


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  • Pierre Bergé, der Lebensgefährte von Yves Saint-Laurent, verkauft seine Bibliothek, darunter auch ein Manuskript von André Bretons "Nadja". Ich habe nur das Taschenbuch, aber vielleicht leiht mir jemand die angesetzten 2,5 bis 3,5 Millionen.

     


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    Stufen

     

    Wie jede Blüte welkt und jede Jugend

    Dem Alter weicht, blüht jede Lebensstufe,

    Blüht jede Weisheit auch und jede Tugend

    Zu ihrer Zeit und darf nicht ewig dauern.

     

    Es muss das Herz bei jedem Lebensrufe

    Bereit zum Abschied sein und Neubeginne,

    Um sich in Tapferkeit und ohne Trauern

    In andre, neue Bindungen zu geben.

     

    Und jedem Anfang wohnt ein Zauber inne,

    Der uns beschützt und der uns hilft, zu leben.

     

    Wir sollen heiter Raum um Raum durchschreiten,

    An keinem wie an einer Heimat hängen,

    Der Weltgeist will nicht fesseln uns und engen,

    Er will uns Stuf’ um Stufe heben, weiten.

     

    Kaum sind wir heimisch einem Lebenskreise

    Und traulich eingewohnt, so droht Erschlaffen,

    Nur wer bereit zu Aufbruch ist und Reise,

    Mag lähmender Gewöhnung sich entraffen.

     

    Es wird vielleicht auch noch die Todesstunde

    Uns neuen Räumen jung entgegensenden,

    Des Lebens Ruf an uns wird niemals enden…

    Wohlan denn, Herz, nimm Abschied und gesunde!

     

    Hermann Hesse


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